dry needling
die therapie, die "tiefer" geht
Seit 2024 ist es endlich auch in Österreich Physiotherapeuten erlaubt, Dry Needling anzuwenden.
Dry Needling ist eine anerkannte und äußerst erfolgreiche Methode myofasziale Triggerpunkte mit einer dünnen Akupunkturnadel zielgerichtet zu behandeln. Mehr zum Thema Triggerpunkte HIER.
Beim Dry Needling wird kein Wirkstoff in den Körper eingebracht. Allein durch den treffgenauen Stich direkt in den Triggerpunkt werden verschiedene therapeutische Effekte erzielt. Es kommt zur Entspannung des betroffenen Muskelhartspanns, zu Schmerzlinderung, verbesserter Durchblutung und Wiederherstellung der physiologischen Muskelfunktion.
Bei anhaltender Aktivierung eines Muskels, zB durch Überlastung, Fehlbelastung, Schutzspannung oder nach einer Verletzung, bilden sich innerhalb des betroffenen Muskels einer oder mehrere Hartspannstränge. Es kommt lokal zu einer Veränderung der elektrochemischen Steuerung der Muskelfasern und durch die konstante Einengung der kleinen muskulären Blutgefäße zu einer Einschränkung der örtlichen Energieversorgung. Gleichzeitig benötigt der Muskel durch die permanente Aktivierung aber besonders viel Energie. Man spricht von einer Energiekrise.
Durch die gestörte Durchblutung kommt es im betroffenen Areal zu einer Minderversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen, wodurch sich einerseits der pH-Wert des Gewebes verändert und andererseits Entzündungs- und Schmerzmediatoren freigesetzt werden. Diese stimulieren die umliegenden Nozizeptoren und führen zu verstärkten lokalen Schmerzen bei Bewegung und Muskelpalpation und verursachen gleichzeitig eine weitere Verschlechterung des Milieus. All dies stört die Muskelfunktion zunehmend und die muskuläre Spannung nimmt noch mehr zu.
Ein Teufelskreis entsteht.
Bei anhaltender Reizung der oben erwähnten Nozizeptoren, können diese auch andere Nervenfasern mitaktivieren, was zur Schmerzprojektion in entferntere Regionen führen kann. Das erklärt, warum aktive Triggerpunkte oft Beschwerden in Bereichen auslösen, die auch durchaus weit entfernt liegen können.
Will man Triggerpunkte mittels Dry Needling behandeln, ist dessen exakte Identifikation durch spezifische Palpation des Muskels unerlässlich. Das erfordert eine entsprechend umfassende anatomische und palpatorische Ausbildung des Therapeuten.
Man unterscheidet zwischen der intramuskulären Stimulation (IMS), dem eigentlichen Dry Needling, wo man tief in den Triggerpunkt einsticht und eine lokale Zuckungsreaktion (twitching) auslöst, und der superfiziellen Afferenzstimulation (SAS), dem oberflächlichen Nadeln.
Beim intramuskulären Dry Needling identifiziert man durch exakte Palpation den Triggerpunkt und sich diesen an gezielt mit einer passenden Akupunkturnadel an. Wenn Patienten eher stark auf diese Behandlungstechnik reagieren (strong responder), arbeitet man eher mit statischer intramuskulärer Stimulation und belässt die Nadel solange im Triggerpunkt, bis das lokale Krampfgefühl nachlässt.
Bei eher unempfindlichen, schwach reagierenden Menschen (weak responder) wendet man primär die dynamische intramuskuläre Stimulation an und „punktiert“ den Triggerpunkt (vergleichbar mit einer Nähmaschine) so lange, bis die Zuckungen nachlassen.
Bei genauer Nadiedelung des Triggerpunktes und Auslösen des bekannten Schmerzmusters und von spür- und sichtbaren Zuckungen und/oder einem Krampfgefühl im Hartspannstrang empfinden die meisten Patienten ein angenehmes, lösendes Wohlgefühl nach abklingen der Symptome. Je nach Art der Beschwerden, Konstitution und individueller Schmerzempfindlichkeit und DN-Erfahrung der Patienten kann man mehrere Triggerpunkte innerhalb eines Hartspannstrangs und verschiedene Muskeln innerhalb einer Therapiesitzung behandeln. Oft ist bereits direkt nach dem Dry Needling eine Schmerzreduktion, eine deutlich verbesserte Muskelfunktion und ein gesteigerte Gelenksbeweglichkeit merkbar.
Bei der superfiziellen Afferenzstimulation werden die Nadeln nur oberflächlich gesetzt.
Diese Art des Dry Needlings ist besonders für sehr sensible Menschen, strong responder und für „Nadel-Neulinge“ geeignet. Die Nadel wird nur für 3-4mm schräg zur Hautoberfläche über einem Triggerpunkt, Hartspannstrang oder einer schmerzhaften Stelle eingeführt und kurz dort belassen. Oft werden auch mehrere Nadeln parallel gesetzt. Dabei sollen bestimmte Nervenfasern aktiviert werden, die dann wiederum andere hemmende Nervenfasern triggern, welche zur Schmerzlinderung und einer reflektorischen Entspannung des verspannten Muskels beitragen können. Zugleich sollen die schräg eingeführten Nadeln die darunter liegenden Bindegewebsfasern dehnen und bestimmte Gewebszellen aktivieren, wodurch es ebenfalls zu einer Entspannung des Hartspannstrangs kommt. Diese Entspannung ist oft direkt nach der Behandlung sowohl für Therapeut, als auch Patient spürbar.
Dry Needling ist eine sehr sichere, komplikationsarme Behandlungsmethode - vorausgesetzt, die Therapeuten sind umfassend ausgebildet, alle Kontraindikationen und Hygienemaßnahmen werden berücksichtigt und eingehalten und die Patienten sind ausreichend über die Behandlung selbst und eventuelle Reaktionen darauf informiert. Manchmal kann es trotz allem zu kleinen lokalen Blutergüssen, verstärkter Druckschmerzhaftigkeit im behandelten Areal und einem Muskelkater-ähnlichem Gefühl kommen. Diese Reaktionen klingen meist nach 3-5 Tagen wieder ab und beunruhigen die Patienten bei guter Aufklärung in der Regel gar nicht.
Im Vergleich zur manuellen Triggerpunkttherapie erreicht man mit Dry Needling oft eine schnellere Schmerzlinderung und Beweglichkeitsverbesserung, der Therapieerfolg ist meist etwas nachhaltiger und gleichzeitig wird es von den meisten Patienten als weniger schmerzhaft empfunden als das manuelle „triggern“.
Selbstverständlich sollte nicht nur ausschließlich Dry Needling zur Therapie von myofaszialen Beschwerdebildern eingesetzt werden. Aber als Teil einer individuellen, vielseitigen und zielorientierten Behandlung ist Dry Needling eine äußerst wertvolle und effektive Technik, die nun endlich auch in Österreich die physiotherapeutischen Behandlungen durch ausgebildete Therapeuten bereichert.





